Die einen blockieren als sogenannte Aktivisten Straßen oder Veranstaltungen. Die anderen ändern einfach was. Am finanzwelt-Roundtable sitzen diejenigen, die Dinge nachhaltig bewegen. Wie Sabine Fuchs, Geschäftsführerin von MONEYWELL, einer Plattform, die sich auf nachhaltige Produkte spezialisiert hat. Oder Jochen Sautter, Geschäftsführer von Blue Energy Europe, spezialisiert auf regenerative Energien sowie Dieter Bornscheuer, der als Vertrieb schon Green-Investment verkauft hat, als das noch gar nicht so hieß. Der Anleger ist schon da, das Produkt ist auch da, nur der Vertrieb fehlt. Warum das so ist und wie leicht Abhilfe geschaffen werden kann, darüber diskutieren unsere Experten.
Finanzwelt: Solange der Strom noch in Europa aus AKWs und Kohlekraftwerken kommt, machen E-Autos auf Langstrecke wenig Sinn, oder soll der Verkehr auf die eh schon überlastete Schiene?
Jochen Sautter: Elektroautos sind für Kurzstrecken sicherlich eine gute Variante. Für Langstrecken allerdings, glaube ich, ist das Elektroauto nicht geeignet. Da sind sicherlich eher synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff geeignet. Wenn Sie sich vorstellen wie viele Batterien ein LKW brauchen würde, der fast jeden Tag rund 1.000 km fährt, kann das sicher nicht die Lösung sein.
Sabine Fuchs: Es gibt momentan überhaupt keine pragmatischen Alternativen. Politik und Wirtschaft sind gefordert, neue Mobilitätskonzepte zu entwickeln, um einen vernünftigen Umstieg auf andere, neue Transportmöglichkeiten zu ermöglichen. Ich habe eine Studie der Immobilienwirtschaft begleitet, in der sich gezeigt hat: Wenn man die Wegzeit zum Arbeitsplatz um eine halbe Stunde verkürzen kann, steigen die Immobilienpreise vor Ort. Das ist doch eine Steilvorlage für einen innovativeren Umgang mit der Thematik und darüber nachzudenken, welche nachhaltigen Möglichkeiten wir haben, von A nach B zu gelangen.
Sautter: Sowohl die Schiene als auch die Straße sind überlastet. Wenn man irgendwo ausbauen möchte, wäre es sicher besser, die Schiene auszubauen, um da noch mehr Kapazität zu bekommen. Grundsätzlich haben wir aber das Problem, dass der Transport viel zu billig ist: Wir haben viel zu viele Waren, die durch die Welt transportiert werden. Hier müssen wir ansetzen.
Dieter Bornscheuer: Ich wohne in Nordhessen in einem kleinen Tal. Da ist die stark befahrene B 27, daneben die Bahnschiene. Das ist ein Höllenlärm und Schmutz. Entweder die ganzen LKWs, die da auch abbremsen, um auf die Autobahn abzubiegen, auf der anderen Seite dann auch die Güterzüge, insbesondere auch nachts.
Finanzwelt: Wir hätten mit E-Autos zwar saubere Innenstädte, wobei auch Reifen, Bremsen, Schiffe, Gasherde, Weihnachtskerzen, Heizungen und Feuerwerk ordentlich CO2 und/oder Feinstaub produzieren. Aber vor allem verlagern wir die Umweltprobleme ins Ausland. Kennen Sie die Produktionsbedingungen für Batterien?
Sautter: Das sehe ich genauso. Klimaschutz heißt leider häufig, dass man die Probleme in ärmere Länder mit weniger Umweltauflagen auslagert. Ein Beispiel: Ich war vor kurzem in China gewesen, da habe ich von einer Stadt gehört, die auf E-Autos umgestellt hat. Aber man hat außerhalb der Stadt ein Braunkohlekraftwerk gebaut, um den Strom dafür zu produzieren.
Fuchs: ich glaube auch hier sind wir wenig innovativ. Afrika beispielsweise überspringt viele wirtschaftliche Entwicklungsphasen, wie wir sie kennen. Sie bezahlen überwiegend mobil, kennen kein Bankenfilialnetz oder haben oft eine bessere Mobilfunknetzabdeckung wie wir. Hier hinken wir hinterher – trotzdem lagern wir unseren Müll dort ab. Jeder sollte bei sich selbst anfangen, vor der eigenen Haustür. Es sollte jeder versuchen, ein bisschen nachhaltiger zu leben.
Finanzwelt: Wie soll in Zukunft denn die Grundlastfähigkeit abgebildet werden?
Sautter: Ich glaube, die oberste Maxime muss die Energieeinsparung sein. Der Strom, welcher erst gar nicht verbraucht wird, muss weder produziert, noch transportiert werden. Anschließend ist es natürlich wichtig, dass die Energie, die verbraucht wird, klimafreundlich hergestellt wird. Der Strom allein wird nicht ausreichen. Es geht eben nicht, dass wir in Deutschland alle Atom- und Kohlekraftwerke abschalten, gleichzeitig aber alles auf Elektro umstellen wollen. Deshalb glaube ich ganz fest, dass synthetische Kraftstoffe und auch Wasserstoff eine wichtige Rolle einnehmen werden. Die E-Mobilität sehe ich eher als Zwischenprodukt hin zu den synthetischen Kraftstoffen. Die notwendigen Technologien sind teilweise schon fertig entwickelt. Doch leider sind die fossilen Energieträger Öl und Gas bislang noch viel zu billig, so dass sich ein Umstieg finanziell bislang einfach noch nicht lohnt. Ein Liter ökologischer Sprit ist einfach doppelt so teuer wie Diesel.
Bornscheuer: Das Fraunhofer-Institut hat seit Jahren einen Testrasen, um aus Gülle und Klärschlamm Wasserstoff herzustellen. Es wäre doch eigentlich ideal, wenn man auf gut Deutsch aus „Scheiße Geld machen“ könnte. Das ist ja in Unmengen da, das Grundwasser wird nicht verunreinigt. Es fahren tausende von LKWs durch Deutschland, um Gülle und Klärschlamm zu transportieren und irgendwo abzulagern. Auf der anderen Seite könnte man aus diesen Stoffen Wasserstoff herstellen. Das mag vielleicht im Moment etwas teurer sein, weil es noch nicht bewährt ist. Aber es wäre die Lösung schlechthin.
Finanzwelt: Der Staat geht in Sachen Umweltpolitik dahin über, mit Steuern zu bestrafen, statt mit Förderungen zu begünstigen. Das Resultat war der Niedergang der einheimischen Solarindustrie. Zeit für ein neues EEG?
Sautter: Es ist vollkommen richtig, dass der Staat durch seine Steuern eine große Lenkungsfunktion hat. Wir als Blue Energy Europe haben uns da ein Stück weit abgekoppelt und haben vor zwei Jahren ein Kraftwerk gekauft, in dem wir grundsätzlich aus Klärschlamm und Gülle Wasserstoff produzieren können. Ironischerweise erfahren wir mit solchen Technologien im Ausland viel mehr Akzeptanz als in Deutschland. Wir Deutschen vergrößern derzeit unsere Abhängigkeit vom russischen Erdgas, indem wir die Gasleitung Nordstream 2 fördern. Damit ersetzen wir fossile Energieträger durch andere fossile Energieträger. Andere Europäische Länder wollen lieber ökologisches Gas in ihrem Gasnetz haben, was wesentlich sinnvoller ist.
Fuchs: Ich denke auch, dass Fördermaßnahmen immer mehr greifen als Strafsteuern. Es motiviert einfach mehr, die Technologien zu nutzen, wenn ich gefördert werde, als wenn ich auf der anderen Seite auf etwas verzichten muss.
Finanzwelt: Warum reden dann alle nur von verteuern und verbieten, statt zu verbessern? In anderen Ländern zahlt derjenige beim Zertifikatehandel, der viel CO2 produziert und wer O2 produziert bekommt Geld.
Sautter: In Schweden haben wir einen CO2-Preis von 130 Euro pro Tonne, hier in Deutschland reden wir über 10 Euro pro Tonne. Das tut niemandem weh. Der CO2-Preis muss bedeutend teurer sein. Auf der anderen Seite muss aber auch dieses Geld, welches da eingenommen wird, in Forschung und Entwicklung von umweltfreundlichen Technologien investiert werden.
Finanzwelt: Friday for future und Greta Thunberg dominieren die Nachrichten. Haben Sie durch die Bewegung dann wenigstens mehr Kunden, die nachhaltig investieren wollen?
Bornscheuer: Ja. Ich habe im Finanzanlagenvertrieb über Jahre hinweg eine Expertise in Kundengesprächen. Das Thema Nachhaltigkeit ist da der absolute Opener. Wenn ich ein Gespräch damit beginne, dass wir Experten für nachhaltige Kapitalanlagen sind, habe ich gleich ein ganz anderes Entrée als wenn ich mit dem 23. Immobilienfonds oder so ankomme. Es gibt im Bereich der Nachhaltigkeit auch momentan die wenigsten Pleiten. Nachhaltigkeit und Ökologie ist das Thema. Ich spreche auch manchmal von einem „göttlichen“ Investment. Denn Wasser, Wind und Sonne, selbst Gülle sind Dinge, die uns die Erde gibt. Container, Schiffe oder Flugzeuge nicht. Man kommt ruckzuck mit den Kunden ins Gespräch, weil die mit ihrem Geld was Sinnvolles tun wollen.
Fuchs: Wir als digitaler Vertrieb verzeichnen ein eindeutiges Nachfrageplus. Die Aufgabe ist es allerdings, Produkte zu finden, die unseren Qualitätsanforderungen entsprechen. Der Emittent braucht einen positiven Track-Record und muss dem Anleger eine Balance aus Sicherheit und Ertrag bieten. Ich glaube, dass wir hier künftig eine breitere Auswahl an Produkten bekommen.
Finanzwelt: Richtig, Nachhaltigkeit ist gerade ein großes Thema. Beim Makler und Vermittler haben sich einige darauf spezialisiert, andere fragen verstärkt nach. Die Bewegung und Stimmung im deutschen Volk aber vertrieblich ausnutzen und aktiv an die Kunden rangehen, findet aus meiner Blickwarte nicht verstärkt statt. Warum nicht oder machen Sie gerade andere Erfahrungen?
Fuchs: Das wundert mich auch, denn es bietet sich derzeit den Vertrieben eine Chance, die es in der Vergangenheit nicht so oft gab. Wir haben doch in den letzten 20 Jahren Märkte für Finanzprodukte geschaffen, die aktiv niemand nachgefragt hat. Heute ist es genau umgekehrt: Der Anleger fragt aktiv nach, aber die Vertriebe reagieren noch sehr zurückhalten. Aus Marketingsicht spricht auch alles für nachhaltige Produkte: Greta Thunberg ist doch derzeit für jeden Finanzdienstleister eine der stärksten Verkaufsargumente. Wir bei Moneywell werden daher verstärkt Vertriebe unterstützen, die von diesem Trend partizipieren wollen.
Finanzwelt: Wenn man sich die aktuelle Lage auf den Finanzmärkten ansieht: Wir haben Nullzinsen, zum Teil schon Strafzinsen. Wenn man jetzt nicht auf neue Produkte wie Nachhaltigkeit setzt, wann dann?
Fuchs: Die Produkte, die wir auf den Plattformen haben, sind konventionellen Bankprodukten überlegen – wir sind attraktiver als jedes Sparbuch, Tagesgeld oder jede Kapitallebensversicherung – und das bei überschaubaren Laufzeiten.
Sautter: Man kann dem Finanzvertrieb nur raten, die Zeichen der Zeit zu nutzen. Jede Woche haben wir in der Tagesschau ein Thema, das wir vertrieblich nutzen können. Einen besseren Türöffner gibt es doch gar nicht.
Bornscheuer: Auf den Kundenkonten wird immer mehr Geld angehäuft, das investiert werden könnte. Aber der klassische Finanzmakler hat zunehmend strengere Regularien. Die haben alle genug zu tun und wollen nur eine beschränkte Produktauswahl. Sie können einfach nichts Neues mehr dazu nehmen, weil ihnen schlichtweg die Zeit fehlt. Also sollte man Online- und Offline-Vertrieb intelligent miteinander verknüpfen. Wer vor der digitalen Anlagevermittlung die Augen verschließt, verpasst den Markt. Ich komme an die Massen der Bevölkerung am besten über digitale Angebote wie Moneywell und andere. Also wird der Finanzdienstleister, wenn er keinen § 34f hat oder haftungsarm vermitteln will, ein Affiliate-Partner einer Crowdinvesting-Plattform. Natürlich ist die Affiliate-Provision bei 2 % irgendwo gedeckelt. Aber erstens gibt es mehr potenzielle Kunden bei weniger Arbeit und bei Produkten über 10.000 Euro kommt man nach Absprache mit dem Emittenten auch meist wieder eine deutlich höhere Provision. (/vs)
Quelle: Finanzwelt 06/2019